Strategien für Vereine und Verbände
Ehrenamtliches Engagement ist das Herzstück vieler Vereine und Verbände. Doch die Suche nach engagierten Führungskräften und Vorstandsmitgliedern wird zunehmend zur Herausforderung.
Dabei ist ehrenamtliches Engagement in Deutschland nach wie vor ungebrochen, vor allem wenn es darum geht, sich spontan, lokal, im eigenen Umfeld oder bei Notlagen freiwillig und kurzfristig zu engagieren.
Ehrenamtliche Führungskräfte und Vorstandsmitglieder haben in dieser Form eine besondere Rolle, die mit einem längerfristigen, organisierten Engagement verbunden ist.
Wie können Organisationen Menschen für diese verantwortungsvollen Aufgaben begeistern?
Die Bedeutung von ehrenamtlichen Führungskräften
Vorstandsmitglieder und Führungskräfte tragen wesentlich zum Erfolg eines Vereins oder Verbands bei. Sie setzen strategische Ziele, sorgen für eine solide Organisation und repräsentieren die Sache des Vereins oder des Verbandes und deren Werte nach außen. Sie brauchen dazu gute Organisations- und Kommunikationsfähigkeiten, zeigen Einsatzbereitschaft und ein hohes Maß an Verpflichtung.
Herausforderungen bei der Gewinnung
Neue Herausforderungen haben in den letzten Jahren die Vereins- und Vorstandsarbeit verändert und erschwert. Dazu zählen:
- Zeitliche Belastung: Viele scheuen die Verantwortung im Ehrenamt, weil sie ihren beruflichen und privaten Verpflichtungen gerecht werden müssen.
- Zwickmühle von ehrenamtlichen Strukturen und notwendig gewordener Professionalisierung: Viele Vereine und Verbände sind in Aufgaben der Daseinsvorsorge eingebunden (z.B. Schulvereine oder Kleiderkammern), die eine Professionalisierung notwendig machen.
- Erwartungshaltung der Mitglieder oder der Zielgruppe steigt: Vor allem durch die oben erwähnte Professionalisierung steigt der Erwartungsdruck an Vorstände.
- Jugend- und Nachwuchsarbeit: Aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen, wie z.B. Ganztagsschulen, Doppelbelastung von Familie und Beruf, ist es schwer geworden eine kontinuierliche, traditionelle Nachwuchsgewinnung zu betreiben.
- Demographischer Wandel: Frauen finden immer noch schwerer Zugang in die bislang männerdominierten Vorstände. Menschen mit Migrationshintergrund ist das Vereinsleben oft fremd oder die Öffnung der Vereine und Verbände ist noch nicht gelungen.
- Bürokratie: Das Vereinsleben erlebt ein Mehr an Regulierung (z.B. Kinder- und Jugendschutz, Datenschutz, Hygienevorschriften). Damit steigen die Anforderungen an die Verantwortlichen, mehr Kompetenzen werden abverlangt, Beratung und Fortbildung werden notwendig, was mit mehr Verantwortung und Zeit einhergeht.
- Anerkennung ehrenamtlicher Ämter: Für viele gibt es immer weniger Anreize, sich für die „Ehre“ zu engagieren. Die Mühe und der oftmalige Ärger wiegen die Freude am Amt nicht auf.
Strategien zur Gewinnung von ehrenamtlichen Führungskräften
Je nach Art und Größe des Vereins oder Verbandes gibt es unterschiedliche Strategien, mit den oben genannten Herausforderungen umzugehen.
Am besten werden solche Herangehensweisen im Sinne der Organisationsentwicklung unter der Beteiligung aller Betroffenen in einem moderierten Workshop oder einer Klausur entworfen und umgesetzt.
Allgemein können folgende Anregungen hilfreich sein:
Vorstandsarbeit – ein Aushängeschild!
Bevor ein Verein oder Verband sich auf den Weg macht, Führungskräfte zu gewinnen, sollte intern alles in Ordnung sein oder gebracht werden.
Vielleicht hilft folgendes Bild: Stelle dir vor es hat sich bei dir zu Hause Besuch angekündigt. Spätestens jetzt sorgst du dafür, dass alles aufgeräumt und sauber ist und entsprechende Verpflegung da ist, um den Gast zu verwöhnen. Schließlich willst du ja, dass dein Besuch sich wohlfühlt und gerne bei dir ist, oder?
In einem Verein oder Verband sollte das „Zuhause“ in folgender Art und Weise „aufgeräumt“ sein:
Rahmenbedingungen klären:
- Ist der Vereinszweck noch zeitgemäß und attraktiv?
- Besteht eine Klarheit über Ziele, Themen und Aufgaben in Ihrem Verein?
- Herrscht in Ihrem Verein eine Vereinskultur, in der man sich wohl fühlt?
- Gibt es machbare Arbeitspakete für die Vorstandsarbeit?
- Sind die Aufgaben und Verantwortlichkeiten klar definiert?
- Sind die Kommunikations- und Informationswege klar?
- Gibt es eine Dokumentation der Grundaussagen zur Identität, Zielsetzung und Struktur des Vereins (Vereinszweck, Leitbild, Rituale, Werte, Vereinskultur)
- Existieren im Verein Dienstleistungen zur Unterstützung und Anerkennung der Arbeit?
- Wie ist die Grundeinstellung und Haltung im Verein / Verband?
Verbandsarbeit verteilen
- Richte mehrere Ressorts ein, wie:
Öffentlichkeitsarbeit, Events, Logistik, Finanzen, Programmplanung, Vorsitzende/r und Stellvertreter/in, für die jeweils eine Person aus dem Vorstand verantwortlich ist. - Schaffe Komitees/Beiräte/Ausschüsse für spezifische Aufgabenbereiche, die den Vorstand unterstützen und zukünftige Vorstandskandidat/innen entwickeln.
- Nutze Ressourcen aus der Mitgliedschaft:
Können einzelne Aufgaben und Tätigkeiten als verantwortungsvolle Engagementmöglichkeiten (z.B. Mitwirkung bei Kampagnen oder Veranstaltungen) außerhalb des Vorstandes realisiert werden? - Denke über eine passende Erweiterung des Vorstandes durch Mitglieder auf Zeit oder z.B. durch Jugendvorstände nach.
- Sorge, wenn sinnvoll, für Entlastung und Partizipation durch Rotation, z.B.: durch rotierenden Vorstand oder rotierende Aufgaben innerhalb des Vorstands.
- Splitte Ämter, d.h. verantwortungsvolle Aufgaben werden aufgeteilt, z.B. durch ein Tandem aus erfahrenem und neuem Vorstandsmitglied.
Gelingende Werbung
- Klare Kommunikation der Aufgaben
Potenzielle Ehrenamtliche möchten genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Erstelle deshalb aussagekräftige Aufgabenbeschreibungen, die den Umfang der Tätigkeit und die Ziele klar definieren. So schaffst du Transparenz und erleichterst Interessierten die Entscheidung.
- Zielgerichtete Ansprache
Die persönliche Ansprache ist meines Erachtens immer noch der beste Weg. Sie zeugt nicht nur von Wertschätzung, sondern es können auf beiden Seiten die Bedürfnisse thematisiert und abgeklopft werden.
Je nach zu besetzendem Amt und gewünschter Zielgruppe gilt es die passenden Orte der Ansprache auszuwählen. Ein direkter Weg ist immer im eigenen Verband oder Verein unter den Mitgliedern oder der Zielgruppe nach potenziellen Unterstützer/innen Ausschau zu halten.
Natürlich gibt es auch andere Kanäle, um an neue Vorstandsmitglieder zu kommen. Ganz prominent sind natürlich die Soziale Medien, in denen du deinen Verein / Verband gut präsentieren und einen Aufruf starten kannst.
Klassischer sind geplante Netzwerkveranstaltungen, wie ein Tag der offenen Tür oder regional organisierte Veranstaltungen.
Stellenausschreibungen über Ehrenamtsbörsen oder an gezielten Orten, wie z.B. Universitäten, können ein erfolgreicher Weg sein.
Anreize schaffen
Auch wenn das Ehrenamt nicht finanziell vergütet wird, können Anreize die Attraktivität steigern. Versuche dich, in den potenziellen, neue/n Ehrenamtliche/n hineinzuversetzen: Was könnten ihre/seine Motive sein, sich engagieren zu wollen?
- Gemeinschaft: Vereine und Verbände bestehen immer aus Menschen. Ist dein Verein / Verband ein Wohlfühlort, an dem man gerne ist, gute Zeit miteinander verbringt, sich unterstützt und erfreut?
- Beteiligung: Kann der oder die Neue sich mit Ideen einbringen, sich selbst verwirklichen, mitbestimmen und das Vereins- und Verbandleben mitgestalten?
- Sinnstiftend: Bietet dein Verein / Verband eine Identifikation mit einer wichtigen Sache, die Verwirklichung einer Idee oder gestaltet er gesellschaftliche Entwicklungen, verfolgt Ziele?
- Persönliche Entwicklung und Weiterbildung: Gibt es bei euch eine Feedbackkultur, können Seminare, Workshop angeboten oder finanziert werden.
- Flexibilität: Ermögliche flexible Arbeitszeiten und digitale Zusammenarbeit.
- Anerkennung und Wertschätzung: Wie zeigst du deine Anerkennung? Wie können Prestige und Ansehen intern und in der Öffentlichkeit gestaltet werden? Zeige echte Wertschätzung! Menschen engagieren sich gerne, wenn sie sich geschätzt fühlen. Bedanke dich regelmäßig. Es wird viel zu oft vergessen. Engagement ist keine Selbstverständlichkeit.
Nachwuchs fördern
Beginne frühzeitig mit der Nachwuchsförderung. Oft stellt sich die Frage der Besetzung der Vorstandsämter dann, wenn die Wahlen unmittelbar bevorstehen. Personalentwicklung sollte ein kontinuierliches Thema sein und regelmäßig auf der Agenda stehen, denn die Förderung – gerade für Ämter in Führungspositionen – benötigt Zeit.
Junge Menschen, die bereits in kleineren Rollen Erfahrungen sammeln, sind später eher bereit, Verantwortung zu übernehmen:
- Mentoring-Programme: Ein erfahrener Vorstand begleitet neue Mitglieder in der Einarbeitungszeit.
- Projektbezogenes Engagement: Ermögliche Interessierten, erst in kleinen Projekten mitzuwirken, bevor sie eine Führungsrolle übernehmen.
- Offene Veranstaltungen: Veranstalte Infotage, bei denen sich potenzielle Mitglieder über die Arbeit im Vorstand informieren und im Nachgang hospitieren können.
Wegbeleiter/in sein!
Auch nach der Wahl sollten neue Vorstandsmitglieder oder Führungskräfte nicht allein gelassen werden.
Sie benötigen eine gute Einführung:
- Stelle ausreichende und gezielte Informationen zur Führungstätigkeit, zum Verein und dem UmfeldB. in Form eines Willkommenspaketes zur Verfügung.
- Nenne Beratungs- und Ansprechpartner/innen bei Fragen.
- Stelle neue Führungsmitglieder im Verein, im Vorstand und bei den Kooperationspartner/innen vor.
- Biete Einführungsfortbildungen / ggf. ein „Mentoring“ für neue Vorstandsmitglieder an.
- Plane genügend Einarbeitungszeit am besten im Tandem mit ehemaliger/m Amtsinhaber/in
Biete Unterstützungsangebote für die Führungstätigkeit an:
- Stelle alle benötigten Ressourcen zur Verfügung.
- Stelle Handbücher, Checklisten, Arbeits- und Planungshilfen für die Vorstandsarbeit bereit.
- Benenne Ansprechpartner/innen bei Fragen und für Beratung und Prozessbegleitung.
- Ermögliche Weiterbildung und damit gezielte Kompetenzentwicklung für den Vorstand.
- Schaffe Vernetzungs- und Austauschmöglichkeiten.
Fazit: Ehrenamtliche Führungskräfte gewinnen und binden
Die Gewinnung von ehrenamtlichen Führungskräften erfordert langfristig, strategisches Vorgehen und echte Wertschätzung. Sie beginnt zunächst im Verein / Verband selbst, indem du klare Strukturen schaffst. Gute Werbung bedeutet, sich auf die Bedürfnisse des Gegenübers einzustellen, entsprechende Anreize zu bieten und echte Dankbarkeit zu zeigen. Letztendlich ist es wichtig, dass jede/r das Gefühl hat, jederzeit Wegbegleiter/innen zu haben, die einen „nicht im Stich lassen“. Denn nur gemeinsam ist man stark!
Weiterführendes zu dem Thema findest du bei der Friedrich-Ebert-Stifung (www.fes.de) oder bei der Bosch-Stiftung GmbH (www.bosch-stifung.de), die ich auch als Quellen benutzt habe.
Viel Erfolg für die Zukunftssicherung deines Vereines oder Verbandes.
Sprich mich an, wenn du meine Unterstützung im Prozess als Coach oder Moderatorin brauchst!